Viviane
Konzernstrategin und zweifache Mutter
Es war nicht alles schlecht! Mit etwas Abstand zum ersten Lockdown im Frühjahr 2020 kann die 33-jährige Konzernstrategin Viviane heute einige positive Aspekte der Corona-Pandemie für sich entdecken. Der sonst so straff organisierte Alltag der Mutter von zwei Kindern bekam auf einmal eine ungeahnte Leichtigkeit, die sie oft als befreiend empfand.
Viele Termine und Verpflichtungen wurden aus dem beruflichen sowie dem Familienkalender gestrichen und ihr Arbeitgeber eröffnete mit flexiblem Homeoffice ganz neue Möglichkeiten. Obwohl das Unternehmen, bei dem Viviane angestellt ist, sehr stark von der Krise betroffen ist und sie durch Kurzarbeit leichte finanzielle Einbußen einstecken muss, hat die Corona-Pandemie für sie im Job nur Vorteile mit sich gebracht. „Ich selbst habe durch Corona das flexible Leben ermöglicht bekommen, was ich mir vorher gewünscht hätte. Schade, dass es diesen heftigen Ruck dafür brauchte, Leute zum gegenseitigen Vertrauen zu ‚zwingen‘.“ Auf einmal war da viel selbstbestimmte Zeit, die sie in den Familienalltag ein- und um ihn herum bauen konnte
Die Flexibilität, die die Strategin als Arbeitnehmerin so genoss, wird jedoch für ihre Kinder immer mehr zum Problem. Denn durch das ständige Homeschooling verschiebt sich ein Großteil der täglichen Abläufe der schulpflichtigen Tochter. Viviane wird schnell bewusst, wie sehr es jedoch genau diese Strukturen und Rituale sind, die ihren Kindern Sicherheit und Halt geben. Das Jonglieren zwischen dem Unterricht aus dem heimischen Wohnzimmer und ihrer eigenen Arbeit wird immer mehr zum Kraftakt: Das Organisieren der Aufgaben für die Erstklässlerin, die Motivation der Kleinen aufrechterhalten und das Einhalten von Schulregeln wurde von Tag zu Tag schwieriger.
Selbstverständlich vermisst auch Viviane einiges, was früher nun mal ganz normal war: Das furchtlose und unbeschwerte Aufeinandertreffen mit anderen, ohne die ständige Angst krank zu werden, endlich wieder mit Freunden Ausflüge unternehmen, in größeren Gruppen zusammen feiern – und das bitte alles ohne das Einhalten eines komplexen Regelwerks.
Rückblickend auf ersten Lockdown ist sich die 33-jährige sicher: Zu diesem Zeitpunkt hätte sie viele Fragen des Interviews anders beantwortet. „Da war ich noch voll im Stress, diese Umstellung zu meistern – so viele Emotionen von den Kindern, uns Eltern, Unsicherheit, neue Regeln, Pflichten einer Erstklässlerin und ihrer Schule gerecht zu werden, die Unsicherheiten der Kinder aufzufangen, selbst stark zu sein.“ Heute, im zweiten Lockdown, kann sie entspannter auf die Geschehnisse im Frühjahr 2020 schauen. „Ich habe festgestellt, dass meine Resilienz sehr ausgeprägt ist und ich viel Stärke aus der Situation gewinnen konnte.“ Und genau das will sie auch an ihre Kinder weitergeben, „damit sie so unbeschadet wie möglich aus der Krise herauskommen.“